Sprechkunst                         und Theaterpädagogik
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Pressestimmen

Aus: Haaner Treff , 20. 02. 2019




 


Ratingen Geographie eines Lebens 

Von Paul Köhnes - zuletzt aktualisiert: 03.11.2007 Ratingen (RP)  

Ulrich Maiwald inszenierte ein vielschichtiges Portrait des Lyrikers Rainer Maria Rilke im sehr gut besuchten Lesecafé des Medienzentrums. Der Titel: „Ausgesetzt auf den Bergen des Herzens“. Der Sprachgestalter und Theaterpädagoge Ulrich Maiwald vor dem berühmten Rilke-Portrait der Malerin Paula Modersohn-Becker. RP-Foto: Achim Blazy

Das Lesecafé als Bühnenraum: Ein Portrait des Dichters von Paula Modersohn-Becker aus dem Jahr 1906 zeigt den 31-jährigen Rainer Maria Rilke. Den Lyriker, der, nach Robert Musils Worten, „das deutsche Gedicht zum ersten Mal vollkommen gemacht hat“. Die Blicke aus den sehr gut besetzten Zuhörerreihen im Medienzentrum richten sich auf ein schwarzes Stehpult, auf Tisch und Stuhl, Obstschale und Wasserglas. Zu Querflöten- und Klavierklängen betritt Ulrich Maiwald die Bühne – schwarzer Mantel, schwarzer Westenanzug, weißes Hemd. Noch ist kein Wort gesprochen und schon ist klar: Der Abend in der Reihe „Lebensart“ ist nicht gedacht als feierliche Lesung oft rätselhafter Verse. Sondern als erzählerisch-zitierende Annäherung an den Menschen Rainer Maria Rilke. Der Titel ist eine Gedichtzeile: „Ausgesetzt auf den Bergen des Herzens“.

Darunter versteht Maiwald markante Punkte eines Lebens, Geographie eines Lebens: Prag, München, Russland, Worpswede, Paris, Schloss Duino tauchen als Stationen auf. Ausschnitte aus autobiographischen Erinnerungen an den Neunjährigen, an die unglückliche Ehe seiner Eltern, an kleinbürgerliche Enge und die verhasste Militärschule. Dazu Zitate aus Briefen an die Partnerin Lou Andreas-Salomé, mit der Rilke Russland bereiste – „Grundlage meines Empfangens und Schaffens“. In diesen Jahren entstand mit dem „Stunden-Buch“ ein Hauptwerk des lyrischen Jugendstils. In Maiwalds Anverwandlung steht der Dichter mal grüblerisch, mal als Schwarmgeist auf der Bühne, gibt Selbstkommentare zum „Wagnis des Lebens“ – des eigenen Lebens. Rilke – oft ein Getriebener, „nicht verlässlich zu Haus in der gedeuteten Welt“ und in Angst um den Verlust seiner Worte. Die Zuhörer erfahren von seinen Paris-Aufenthalten, von der Bekanntschaft mit dem Bildhauer Rodin. Vom Ringen um sein Werk. Vom Scheitern seiner Ehe. Und schließlich von Rilkes Umgang mit der tödlichen Krankheit. Der Dichter starb 1926 an Lymphdrüsenkrebs. Maiwald inszeniert Gedichte mit theatralischem Gestus. Das Rilke-Portrait wird ihm zum Spiegelbild, zum stummen Ansprechpartner. Bemerkenswert: die Musik zum Dichterportrait. Stücke von Gabriel Faure, Edward Elgar, Bohuslav Martinu, Eugene Bozza und Bela Bartok, gespielt von Yuko Kasahara (Klavier) und Yuko Koijima Bauer (Querflöte). Sie geben Maiwalds Text-Collage Halt, setzen Unterbrechungen, in denen die Verse nachklingen. Nach anderthalb Stunden keineswegs leicht konsumierbaren Programms gab es den verdient herzlichen Applaus für das Trio.